Steiner, Thaddäus
Bildhafte Bergnamen.
Namenkundliche Informationen 99/100 (2011) 145-151. Online
Der Steinmann ist ein Artefakt in der Wildnis, ein Zeugnis des Unterwegs-Seins, konkret ein Zeichen, physisch eine Raumteilung und psychisch ein Eingriff in die Raumvorstellungen, weil Reisende mit ihrem hinzugelegten Stein eine Kunde hinterlassen als Zeugnis, das sie dort waren.
Als Wegzeichen zur Orientierung gibt es ein natürliches Vorbild im Karling. Dies bezeichnet glaziologisch pyramidenförmige Bergspitzen, die durch ihre schroffen und steilen Grate mit manchmal fast senkrechten Wänden unübersehbare Fixpunkte im Raum bilden, scheinbar isoliert in der Bergwelt. Diese entstanden aus dem Eisstrom der Gletscher. In Europa wird die dabei entstehende pyramidale Form oft als „Horn“ (schweiz. Gorner, ital. Corno, lat. Cornu) bezeichnet (Matterhorn, Wießbachhorn, Großer Hornkopf) oder als Spitze (rätorom. Piz, ital. Pizzo, Cima ) 1). Auch die bekanntesten Berggipfel der Hohen Tauern sind Karlinge wie der Großglockner. 2)
Steinsäulen (engl. piles of rock), Steinhaufen (engl. heap of stone, frz. tas de pierres), auch in Form von Pyramiden oder als gegeneinander gelehnte Steinplatten, sind als einfachste, älteste und beständigste Form des Wegzeichens (engl. road marker) oder Wegweisers (engl. signpost, frz. poteau indicateur) charakterisiert durch
Lentz, Thomas L.
Damit kennzeichnen sie den richtigen Weg, wenn es in der Landschaft weder natürliche noch eindeutige Landmarken gibt. Sie bieten zudem Orientierung und einen Schutz gegen das Verirren in der Wildnis. Sie erleichtern die Wegfindung, wenn der felsige Untergrund keine Spuren erkennen lässt oder wenn es zu viele Spuren (etwa Tierpfade auf Almen) gibt oder wenn im Sand Pisten in alle Richtungen führen, aber auch wenn der Pfad bei Schnee auf Pässen oder im Nebel nicht weithin sichtbar ist.
Bei der Erstbegehung einer Route haben die Steinzeichen jedoch einen anderen Sinn:
Bei vielen Expeditionen wurden systematisch Cairns angelegt, z.B. 1868 bei der deutschen Nordpol-Expedition:
„Um aber die allerschlimmsten Fälle vorzusehen, und im Fall eines Unglückes eine möglichst gute Spur der Expedition zu haben, sollen auf den sich nach Norden erstreckenden Küsten Ost-Grönlands oder überhaupt auf jeder zu berührenden Küste wiederholt Steinhaufen (Cairns) errichtet werden, die, wie bei den Englischen Expeditionen, in ihrem Innern schriftliche Nachricht von dem Gange und Stande der Expedition enthalten. Und zwar sollen diese Cairns an hervorragenden Punkten der Küste möglichst genau oder so nahe als möglich unter einem vollen Breiten- oder Längengrade errichtet werden, was ihre Auffindung ausserordentlich erleichtern würde.“ 3)
Solche Steinmännchen sind weltweit zu finden 4) ebenso wie der Brauch, Steine auf Steinhaufen und Grabstellen zu werfen 5). Für beides (Objekt und Brauch) werden in der Fachliteratur zwei spezifische Objektbegriffe (schottisch cairns und mongolisch obo) auch als Gattungsbegriff verwendet, neutraler bezeichnet man den Brauch als »sukzessive Häufung«.
Die Art und Anordnung der Steinsetzungen wird meist unterschieden und kategorisiert als:
Urs Schwegler
Steinsetzungen können angesprochen werden als (Mehrfachfunktionen sind mitzudenken):
Vajda, László
László Vajda
: Ethnologica. Otto Harrassowitz 1999;Milburn, M.
Savary, J.-P.
El Mountassir, A.
, S. Chaker
Said Ennahid
, Eric Ross
Doutté, E.
Montes, Juan Francisco Jordán
, José Pérez Blesa
Basset, H.
Frazer, James George
: The golden bough. London 1911 f.: Macmillan. Band 3, VI, The scapegoat, 8-30.Herman Wirth
und benennt Zusammenhänge mit der akkadischen Muttergöttin Gula, dem griechischen Herakles, dem baylonischen babylonische Gilga-mesch, mit Bezügen zum Kreis und zu Bergen 7), denen sich möglicherweise nachzugehen lohnt, jedoch unabhängig vom weiteren Gedankengut des Autors.Peroschi, Maria Emilia
, Flavio Cambieri
Berger F.
Menardi Noguera A.
, P. Carmignoto
, N. Contavalli
, E. Grugni
Riemer H.
Borda M.
, Cambieri F.
, Peroschi M.E.
Maria Emilia Peroschi
, Flavio Cambieri
, Maria Leonarda De Santis
Harold Scheub
Rossi, Corinna
, Salima Ikram
Cavendish, M.W.
Anfray, Francis
Joussaume, Roger
Grant, Christopher
Chittick, H. Neville
Lewis, I.M.
Eugenio Bortolini
et al.Jean-Paul Cros
et al.Matthew I.J. Davies
Lynch, B. Mark
Lynch, B. M.
, L. H. Robbins
Willoughby, W.C.
The Soul of the Bantu.Dundas, K.R.
Baumann, O.
Baumann, H.
Schmidt, Sigrid
Schmidt, S.
Berglund, A-J.
Jacob
und Laban
einen Vertrag an einem Grenzsteinhaufen (gal), der als Zeuge der Handlung gilt (גַּלְעֵד gal‘ed, „ein Steinhaufen ist Zeuge“, Gen 31,47 EU, aramäisch Jegar-Sahaduta יְגַר שָׂהֲדוּתָא „Steinhaufen des Zeugnisses“). Gal bedeutet auch `Quelle´ mit der Grundbedeutung `wallen, wälzen, rollen´, daher auch `Rad´. In Gen 31,52 wird derselbe Steinhaufen als Grenzmarkierung bezeichnet und in Gen 31,48-49 als Beobachtungsposten, also einen erhöhten Ort bezeichnend. Text liegt außerdem noch eine zweite Ebene vor, die den Steinhaufen und die Mazzebe explizit als Grenzmarkierungen versteht. Mülinen, Eberhard von
Elitzur, Yoel
Henninger, Joseph
Carl Clemen
Curtius, Ludwig
(1874-1954)Eduard Gehbard
Hetty Goldman
Ifigenija Radulović, Snežana Vukadinović, Aleksandra Smirnov Brkić
Schmidt, Bernhard
Zingerle, Ignaz Vinzenz
Finnur Jónsson
Kvaran, Guðrún
Gräslund, Anne-Sofie
Springer, Otto
Kahle, Bernhard
Nordlander, Johan
Jón R. Hjálmarsson
T. W. M. de Guérin
Élisabeth Ridel
Jansson, Henrik
Tuovinen, Tapani
Erkki Itkonen
, Ulla-Maija Kulonen
Muhonen, Timo
Hartley, Ralph
, Renner, Amanda
et al.Hunt, William J.
, Jr.Hunt, William J.
, Jr., Ralph J. Hartley
, Bruce McCune
, Nijmah Ali
, Thomas F. Thornton
Mizin, Vyacheslav
Mizin, Vyacheslav
Graburn, Nelson
Norman Hallendy, Tukiliit
McNeill, L.
Oakes, Jill E.
Hallendy, N.
O’Leary, Matt
, Richard L. Bland
Schröder, Dominik
Thomas Thornville Cooper
Tucci, Giuseppe
Tatár, Magdalene
Hong, Sun-Kee
, Jae-Eun Kim
Koehler, Robert
Smith, Harlan I.
, Gerard Fowke
Haynal, Patrick M.
Mathews, Darcy
Thom, Brian D.
Jett, S. C.
Dean, C.
Frazer, James George
Diese schlichten Steinhaufen werden über ihre Funktion als Landmarke mit Bedeutung aufgeladen, müssen also innere Bewegung ausgelöst haben, etwa:
Wanderer, die beim Passieren einen Stein hinzulegen oder einen Stock hineinstecken, handeln sowohl rational als auch symbolisch. Sie helfen damit anderen und sie bedanken sich. Diese Phänomene - Steine setzen und werfen - scheinen bislang nur anekdotisch beschreibend behandelt worden zu sein. Manche Beobachtungen wiederholen sich und bieten Ansätze für ein mögliches Muster:
Werner Nohl
Rituell praktiziert erscheint dies als Speise- oder Trankopfer, etwa wenn im tibetischen Raum etwas Tsampa auf dem Pass niedergelegt oder in die Luft geworfen wird. Damit wird das Wegzeichen zum Altar, wie dies auch die Gebetsfahnen auf den tibetischen und mongolischen Pässen ausdrücken. In Tirol heißt dies dem »Bergfräulein opfern« 41). An Steinsetzungen werden die Beschützer der Wege geehrt und angerufen:
Hofmann, Konrad
Stringer, Peggy C.
Der Steinhaufen ist ein Ding, das Aufgaben des Menschen stellvertretend übernimmt,
Der erste Begeher ist ein Suchender und setzt dort die ersten Steinhaufen mit dem Ziel, den Rückweg wiederzufinden, weil er nicht weiß wohin er geht (Entstehungszusammenhang).
Nach seiner Rückkehr sind die Steinhaufen nurmehr das Mittel dorthin zu gelangen, wo auch der Erste war (Verwendungszusammenhang). Die Steinhaufen sind also ein frühes Bauwerk mit dem Zweck der Informationsspeicherung, denn sie enthalten die Information über eine Route zum Ziel. Nachfolgende können die Wegzeichen zusätzliche Funktionen enthalten, sie werden institutionalisiert, etwa
Hubschmid, Johannes
Hummel, S.
Jacob Grimm
und Wilhelm Grimm
): karEisler, Robert
Manfred Hutter
Andree, Richard
Ferguson, James
Fitzhugh, William W.
Haberland, Karl
Marshall Sahlins
Heike Behrend
: Den Geistern zu ihrem Recht verhelfen. FAZ 27.08.2022Williams, David B.
Harding, Jan
, Frances Healy
, Aidan Allen
Laurence, Ray
Kolb, Anne
Andree-Eysn, Marie
Ankert, Heinrich
Azzola, Friedrich Karl
Bächtold-Sträubli, Hanns
, Eduard Hoffmann-Krayer
Richard Henninger
Hentschel, Karl-Heinz
Hentschel, Karl-Heinz
Hermsdorf, Horst
, Yves Hoffmann
Iggensen, Jochen
Rainer Leng
Liebrecht, Felix
Nostiz, Anton
Schneider, Wilhelm
Beschorner, Hans
Busch, Emil
Christmann, Ernst
Dornseiff, Franz
Marie Eysn
E. Grohne
Haupt
Hentschel, Karl-Heinz
Herr, Oskar
Hoffmann-Krayer, Eduard
Grohne
. Der Flurname „Toter Mann“ ist mit den Steinhaufen verbunden.Lamprecht, Otto
Rothe, Manfred
Schmidt, Rudolf
W. von Schulenburg
u.a.Fr. Sieber
Winter, Reinhold
Johannes Baptista Friedreich
: Die Symbolik und Mythologie der Natur. Würzburg 1859 S.122Homer
Odyssee 5, 440 ff) > Kerkyra > KorfuPeter von Köppen
: Erklärender Text zur der ethnographischen Karte des St. Petersburger Gouvernements.Klüber, Johann Salomon
Oettinger, Johann
Philippi, Nikolaus
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Petermann, A.
L. Almásy
, zit. nach: László Vajda
: Ethnologica. Otto Harrassowitz Verlag, 1999Alain Anselin
: Archaeology of the Images and the Words of the Ancient Egyptian World: from Pools of Gone. Saharan Cultures to Current Sociological Parallels. S. 635-668 in: Desert and the Nile (Tagung). Prehistory of the Nile Basin and the Sahara. Papers in honour of Fred Wendorf. Studies in African Archaeology 15. Poznań Archaeological Museum 2018Frankl, P. J. L.
Julius Theodor Zenker
: Türkisch-Arabisch-Persisches Handwörterbuch Band 2. 1876 S. 460 Reğem; verwandt mit ar. ramz `Zeichen´?Thomas Pennant
von Gansauge, Hermann
: „Ueber Stein-Denkmäler und den Stein-Cultus in ältester Zeit.“ Bonner Jahrbücher 43 (1867) 92-106. S. 99, cf 22E. Cartailhac
: La France préhistorique. Paris, Alcan, 1896, S. 174William Smith
S. Eitrem
: Hermes. in: Pauly's Real-Encyclopädie d. class. Altertumswiss. Neue Bearb., XV. Halbband, Sp.738-792Zoega, Geir R.
: A concise dictionary of old Icelandic. Oxford 1910: Clarendon Press. S. 472.Moore, A. W.
: The surnames & place-names of the Isle of Man. With an introduction by Professor Rhŷs. London 1890: E. Stock. S. 287: Varða = cairns, Vörðu-fjall > Wardfell > deutsch `Warte´, Varð-bergM. Alexander Castren
Friedrich Litke
[auch: Lütke]. Aus dem Russischen übersetzt von A. Erman. Berlin 1835: G. Reimer:Nordenskiöld, A. E.
\\ Die Fahrt der Vega um Asien und Europa.Volker Rybatzki
Joh. Cunradi Dieterici